— Open Access Version (Autorenmanuskript) —
Der Essay liest George R. Stewarts Fire (1948) als literarisches Modell, Feuer jenseits des Anthropozentrismus zu denken. Feuer erscheint als Protagonistin „Spitcat“, der Mensch als Chor: kommentierend, hoffend, Schuld zuweisend. Die Brände Südkaliforniens bilden den existenziellen Horizont dieser Deutung, eine beängstigende Unausweichlichkeit ökologischer Dynamiken. Solidarität erweist sich als fragil, Technologie, nicht zuletzt die grüne Transition, bleibt Geste menschlicher Hybris. Das Ergebnis ist eine gesellschaftliche Überhitzung, die sich mit der Überhitzung des Ökosystems verschränkt. Statt heroischer Beherrschung plädiert der Text für Demut gegenüber nichtmenschlichen Akteuren und zeitlichen Maßstäben. Ergebnis ist eine Verschiebung des Blicks, in dem der Mensch als Nebenfigur agiert, das Feuer selbstständig handelt und ökologische Gleichgewichte längerfristige, maßvolle Antworten verlangen.
Dieser Artikel ist nach redaktioneller Überarbeitung in den Weimarer Beiträgen (71. Jahrgang, 1/2025) erschienen als: Diese beängstigende Unausweichlichkeit. Denken jenseits des Anthropozentrismus – mit George R. Stewarts »Fire«. https://weimarer-beitraege.de/2025-1/
Open Access PDF-Version hier heruntladen.
Diese beängstigende Unausweichlichkeit: Nachdenken über Feuer jenseits des Anthropozentrismus
Anfang dieses Jahres wüteten in Südkalifornien Waldbrände. Obgleich an sich nicht selten, hat doch die Verheerung, die diese Brände angerichtet hat, und der gesellschaftliche Diskurs darüber, wie der Mensch nicht nur Opfer sondern auch Handlanger dieser Brände war, einige Tage die Aufmerksamkeit weiterer Teile der Welt angezogen. Man erfuhr einiges über Santa-Ana-Winde, über die Lage von bedeutenden Anwesen in Los Angeles und die Unausweichlichkeit der Kraft des Feuers. Zugleich konnte die westliche Gesellschaft Zeuge ihrer vermeintlichen Macht werden: Wir können Weltmetropolen erbauen und die Natur dabei unterstützen, sie niederzubrennen. Es ist schließlich die Ära des Pyrozäns, eine Abwandlung des Anthropozäns, bei dem der Mensch endlich in die geologische Geschichtsschreibung miteinbezogen werden wird. Täter, Zeuge, Opfer: Im Zentrum steht der Mensch.
George R. Stewart hat sich in den vierziger Jahren des letzten Jahrhunderts dieser anthropozentrischen Idee widersetzt und stattdessen das Phänomen der Natur selbst zum Kern einiger Romane gemacht, weit bevor die westliche Gesellschaft mit dem diskursiven Schlüssel Anthropozän koordiniert über das Verhältnis von Natur, Klima und Mensch sprach. Gerade das Fehlen dieses Diskurses ermöglicht bei Stewart eine andere Perspektive auf dieses Verhältnis, eine, die eben nicht den Menschen im Angesicht von selbstentfachtem Risiko fokussiert oder das vom Menschen vernommene Verstummen natürlicher Lebensräume beklagt. Stewarts Romane verschieben den narrativen Fokus: Nicht länger ist der Mensch das alleinige Subjekt, dem die Natur bloß als Objekt gegenübersteht. Vielmehr sind es Sturm oder Waldbrand, die als handelnde Akteure den Menschen überhaupt erst in die Erzählung hineinziehen. In dieser Verschiebung vollzieht sich eine Dezentrierung des Subjekts: Der Mensch erscheint nicht länger als ordnende Instanz, sondern als Reaktion auf eine Natur, die selbst agiert. Im Folgenden will ich dies, mithilfe von Fire, Stewarts Roman aus dem Jahre 1948,[1] vor dem Hintergrund der Brände in Südkalifornien reflektieren.
Starker Held, schwacher Held
»Down every steep brush-covered slope in the gaps between sheer rock, the fire ran fast. With wind behind and steep slope in front, each spark fell far ahead. Burning cones and debris rolled and tumbled. As spot-fire after spot-fire flamed up in advance, the fire no longer merely crept along the ground, but moved in quick short steps« (F, 235). Gepaart mit den apokalyptischen Bildern, die wir in Echtzeit aus Südkalifornien übersandt bekamen, wird diese Beschreibung beklemmend anschaulich. Und was hier eben lebt, so scheint es, ist das Feuer selbst und der Mensch muss sich ihm in den Weg stellen, um seine Hoheit nicht zu verlieren. Das Feuer wirft rasend Ableger aus wie Fangseile, an denen es sich Hänge hinan und hinab zieht, ganz gleich ob dort Pflanzen oder Gebäude oder Menschen im Weg sind. Im Ganzen, so scheint es, agiert das Feuer »with a terrifying inevitability« (F, 202).
In dieser Unausweichlichkeit lag der Impetus, der Stewarts Erzählung antreibt. Als ausgewiesener Kenner der Sierra Nevada – zahlreiche von Stewarts dokumentarischen Arbeiten haben diesen für die US-amerikanische Westküste zentralen Gebirgszug zum Zentrum – war es ihm ein Anliegen, narrativ auf den Punkt zu bringen, wie ein Waldbrand existiert: als Charakter und unausweichlicher Held seiner eigenen Lebenswelt. Einen ersten Versuch, das Phänomen der Natur derart zu explizieren, unternahm Stewart mit Storm: der Erzählung eines außertropischen Zyklons, der vom Pazifik her auf die Westküste der USA trifft.[2] Trivial aus heutiger Perspektive, aber herausragend für seine Zeit und zugleich bezeichnend für die Dezentrierung des Subjekts ist, dass dieser Sturm einen personifizierenden Namen erhält (Maria), der menschlichen Protagonisten verwehrt bleibt. Kulturgeschichtlich relevant ist dies, da Storm ausschlaggebend dafür war, dass Tropenstürme überhaupt Namen erhielten, sodass wir heute darüber reden können, dass etwa Katrina in und um New Orleans verheerend übers Land zog und Hunderte das Leben kostete.
Mit Fire setzte Stewart diese narrative Linie fort. Das Resultat ist die Erzählung um den Waldbrand Spitcat, die sich über elf Tage erstreckt (dabei Jahrtausende der Kulturgeschichte rund um das Feuer einfließen lässt), angesiedelt im imaginären Ponderosa National Forest in der Sierra Nevada, etwa zwischen Sacramento und dem Tahoe National Forest gelegen. Fire hat als Roman nichts mit den Feuern um Los Angeles und deren Zerstörungen zu tun. Und doch sagt er einiges über sie aus, denn Stewart findet eine Form für das Missverständnis, das der menschlichen Sicht auf Naturereignisse dieser Art zugrunde liegt: die Idee, dort kämpfe die Natur gegen den Menschen. Oder gar noch: dort suche die Natur eine Herrschaft zu erlangen, die eigentlich dem Menschen innewohne und die er verteidigen müsse, mit List und natürlich mit Technologie. In dieser Sicht haust die Abwehr dagegen, die natürliche Unausweichlichkeit anzuerkennen, gerade weil diese beängstigend ist. Es ist eine dominante Sicht auf Verheerung wie sie auch selbst eine Sicht der Dominanz ist, die besagt: Diese Verheerung ist nicht bloß eine an Mensch und Material; sie ist ein Eingriff in die menschliche Herrschaft.
Diese Dominanz unterstreicht zugleich die geradlinige Lesart, mit der Stewarts Roman gelesen werden kann. Schon die planvolle Kapiteltitulierung scheint sie zu unterstreichen: First Day, Second Day, Third Day etc. In den wenigen Tagender Ruhe vor dem Feuersturm werden erst die Naturbühne und darauf die menschlichen Figuren positioniert. Sogleich eröffnet sich die Möglichkeit sozialen Dramas: der unsichere, junge Supervisor bekommt seinen Gegenpol im erfahrenen, aber alternden Ranger; ersterer sieht Bäume als Ressource, letzterer sieht Wald als Lebensraum. Die vor Gesellschaft und Beziehung flüchtende Studentin auf dem Feuerwachturm muss ihre Rolle als einsames, aber entscheidendes Rädchen im Gang der Handlung finden. Meteorologe, Holzfäller, Brandmeister: alle werden metiergerecht in Szene gesetzt. Und dieses Metier ist, Sinnbild für Natur insgesamt, der Wald. Manzanitas, Douglasien, Zedern inmitten der unwegsamen Höhenzüge der Sierra Nevada scheinen dem Drama die stumme Bühne zu bereiten.
Ein Gewitter löst schließlich den Brand aus, der nach und nach alle Figuren einbezieht und der später den Namen der nahegelegenen Mine Spitcat erhält. Die sich ausweitenden Aktionskreise zeigen Mensch und Spitcat im Ringen miteinander, das am zehnten Tag seinen Höhepunkt findet. Es ist ein vorhersehbarer Höhepunkt, schließlich stattet Stewart den Leser mit einer handlichen Karte aus, auf der das Leben der Natur vorgezeichnet ist. Bis zum zehnten Tag wird ein Gebiet schraffiert sein, das etwa zwei Drittel der Fläche Manhattans entspricht. Ein kurzes Wundenlecken am elften Tag mag hier zeigen: Wenn das Feuer verschwunden ist, bleiben Narben zurück, doch im Großen und Ganzen kehren die Kräfte an ihre ihnen zugeschriebenen Positionen zurück. Obgleich der Mensch gelitten hat – ökonomisch (der gute Baustoff), existentiell (der in die Flammen gestürzte Feuerbekämpfer), symbolisch (das Feuer wollte uns in die Schranken weisen) – steht er am Ende wieder, wo er hingehört. Und das Leiden hat Wissen gebracht. Der Protagonist, sprich: der Mensch, ist an seiner Aufgabe gewachsen und aus dem Tosen entspringt ein wacherer Typus mit besserer Technologie.
Heroisch kann man dies lesen, wenn man Einzelpersonen verfolgt. Auch eine dokumentarische Annäherung scheint möglich, schließlich ist es Stewarts Markenzeichen, trotz packender Szenen und teils pathetischen Eröffnungen sachlich zu erzählen. Doch ist es eine Dokumentation, die sich an Bahnen größerer Perspektiven orientiert, wie auch jede eilige Naturkatastrophe sich bloß an über Jahrhunderte gezogenen Markierungen abarbeitet. Bei Stewart ist es wahlweise das Anthropologische, etwa die Dialektik der Hitze, die den Menschen zwar zum Gesellschaftlichen verhalf, zugleich aber verheerend in diese Gesellschaft einbricht. Es ist das Biblische, das Stewart penetrant durch einen älteren Feuerbeobachter sprechen lässt: »Behold I will kindle a fire in thee, and it shall devour every green tree in thee and every dry tree. The flaming flame shall not be quenched« (F, 268). Und es ist selbstverständlich das Amerikanische, das schlechthin Progressive, das vom Feuer getragen ist: »During three hundred years the American went west with the smell of smoke in his nostrils« (F, 73).
Doch stimmt etwas nicht bei dieser Annäherung. Man vermeint etwas Anderes zu erkennen, das im Dokumentarischen aufscheint. Es ist etwas, das sich dieser Lesart der Dominanz versperrt, die immer schon voraussetzt, dass der Mensch im Zentrum steht: dass jeder Kampf, ob nun bewehrend oder einnehmend, im Zeichen menschlicher Herrschaft zu stehen hat; dass das Gleichgewicht eines sein soll, bei dem der Mensch das Sagen hat. Dies ist es, was Stewart nicht sagt. Denn das Tragische an dieser offensichtlichen Lesart ist die Hybris, die in der Perspektive selbst steckt. Stewart suggeriert dies, aber er ist sich bewusst, dass das Feuer anders verkehrt, dass Natur insgesamt anders agiert – dass sie eben nicht bloß Mise en Scène ist.
Deutlich wird das schon daran, dass der Mensch erst nach dem ersten Drittel auf Spitcat trifft (vgl. F, 91). Tatsächlich folgt der Leser verschiedensten Erzählsträngen, doch kreisen diese nicht um den Menschen, in dessen Welt das Feuer einbricht. Ein Gewitter ist der erste Akteur des Romans und Spitcat (ohne bereits einen Namen zu tragen) spätestens auf Seite 15 handelnd, wenngleich bloß als Säugling, der eifrig nach Wind giert und sich zur nächtlich feuchteren Luft in der Streu versteckt. Sein Aufleben im Wald erlebt der Leser ohne Beisein menschlicher Charaktere mit, bevor diese dem Rauchen des pubertären Feuers auf die Schliche kommen. Es ist eine recht seltsame Erfahrung: Gebannt verfolgt man, wie das Feuer zu Kräften kommt, wie es sich seinen Raum nimmt und wie nichts daran anstößig, gar unerhört klingt. Man ist allein mit dem rasch Heranwachsenden. Und noch bevor der Mensch auf ihn zutritt, ist dort das Eichhörnchen, das seinerseits empört ist über den Eindringling: »He put anger into his voice, and indignation. He gave this intruder notice to be off. What was it doing in his forest?« (F, 44) Spätestens in dieser Szene muss der Leser sich eingestehen: Spitcat ist der Protagonist und er interagiert mit dem Wald und seinen Lebewesen – oder sie interagiert, schließlich reden alle über Spitcat in der weiblichen Form.
Diese Lesart wendet das Blatt. Sie demütigt jenen Menschen, der in erster Linie um Dominanz bemüht ist. Es ist nun nicht mehr der Mensch, der bedroht wird und der sich gegen die Bedrohung verteidigt. Stewart geht vielmehr vom Agieren der Natur aus, in dem von Wind inspiriert das Feuer seine Heimat findet. Darein tritt der Mensch, der hier entfremdet ist und der, um sich selbst und seine Ressourcen besorgt, gewillt ist, dem Wald das Feuer auszutreiben. So wird das Feuer zum tragischen Helden: eine kurzfristige Überhitzung der Unausweichlichkeit. Seine Hybris baut sich auf aus dem Einfluss seiner Umwelt, die selbst befreit ist vom Dasein als Bühne. Die Kombination aus Trockenheit und Vegetation ist das eine; der Wind, der den Helden seinem Lebensunterhalt zutreibt, ist das andere. Wie eine der Nebenfiguren bemerkt und wie die meisten Nebenfiguren – wir ferne Kommentatoren – der Brände in Südkalifornien zu verstehen bekamen: »We used to call it a Santa Ana on the Angeles« (F, 120). Der Wind gibt Spitcat Richtung und Anspruch vor, die das Feuer bloß auszuleben hat und so tragisch dahinscheidet, wenn es sich zu sehr auf diesen Wind verlässt. Feuer ist Bewegung in übermenschlicher Dimension, eine Kraft, die getrieben wird und letztlich ihre eigenen Möglichkeiten des Überlebens zerstört: ein schwacher, aber ehrlicher Held.
»I’m just a Greek chorus«
Diese Perspektive wirkt überraschend modern, denn sie spiegelt wider, was sich in den immer häufigeren und zerstörerischen Bränden wie denen in Südkalifornien zeigt: Feuer ist kein Nebenprodukt menschlichen Handelns, sondern eine Kraft, die weitestgehend unabhängig vom Menschen existiert. Der Mensch, unfähig, die Unausweichlichkeit der Natur zu akzeptieren, agiert mit der Illusion von Kontrolle. Doch dreht er sich damit um sich selbst. Sein Sprechen und Handeln ist der Chor, der sich für und um das Feuer bewegt. »I’m just a Greek chorus« (F, 226) sagt Stewarts junge Feuerbeobachterin dementsprechend, die als erstes vom aufsteigenden Rauch berichtet. Sie meint damit ihre eigene Rolle und deutet zugleich über sich hinaus, schließlich werden nach und nach alle zu Kommentatoren, die mehr oder weniger nah dem Hauptgeschehen des Feuers beiwohnen, ganz ähnlich den Tausenden, wohl Millionen, die digital die Verheerung in Südkalifornien kommentierten.
Die wiederkehrenden Elemente ähneln sich frappierend. So ist es etwa der penetrante – und penetrant hilflose – Ruf nach Regen, der zugleich Ausdruck von Hoffnung wie Anerkennung der eigenen Machtlosigkeit ist. Alle paar Szenen rückt er in den Blick: »Maybe we’ll get a rain in a couple of weeks now« (F, 40). »He remembered a forecast of possible rain« (F, 117). »We’ll probably get a little rain any time now« (F, 128). Es ist ein Ruf nach externer Kraft, die dem Menschen zur Seite springen möge, nachdem der Sommer schon so regenlos war und, so kommt es einem nur allzu bekannt vor dieser Tage, allen Vorteil beim Feuer sieht. Wenn der Regen dann kommt, lässt Stewart ihn als Tropfen auf dem heißen Waldboden der Sierra Nevada verpuffen.
Gepaart ist dieser Gesang mit dem Beschwören von Solidarität und Brüderlichkeit. Wo der Ruf nach Regen aufgrund innerer Schwäche nach außen gerichtet ist, geht Solidarität auf eine innere Stärke ein, die sich gegen zudringliche Äußerlichkeit richtet. Im Angesicht existentieller Gefahr, so die Ahnung, sitzen alle im gleichen Boot. Also werden im rasenden Kampf Rassen- und Klassengrenzen für den Moment außer Acht gelassen, ganz so, als seien sie doch nicht mehr als symbolisch. (Bloß die Trennung von Geschlechtern in je ihre Rollen wird in Fire aufrecht gehalten; eine jede Gefahr scheint ihre Grenzen zu haben.) Aber es ist letztlich eine Panik, die von einer Gruppe ungelernter Arbeiter ausgeht, die eine Grenzlinie niederreißt und Spitcat somit freien Lauf erlaubt, was diesem wiederkehrenden Beschwören ihre natürliche Bruchstelle aufzeigt. Einen Moment noch schlägt das Gemeinschaftsherz höher: »They were a motley crowd, but Bart suddenly felt a great human love for them all« (F, 190). Den nächsten Moment schlägt die Vorstellung nahender Flammen die ungelernten Männer in die Flucht, wo auch jene, die gerade noch am gleichen Strang zogen, Hindernisse der Selbsterhaltung werden: »A Sector-boss, trying to block the flight, was knocked down by the running mob« (F, 230). Solidarität ist von Natur aus fragil.
Am stärksten aber schwillt der menschliche Chor bei der Zuschreibung von Schuld an, die im Einklang mit Handlungsmacht gesehen wird. Das Feuer ist weder bloß Ursache und Wirkung noch eine Randerscheinung des menschlichen Handelns. Es ist ein eigener Akteur innerhalb der Bahnen der Natur. Deren Handeln bleibt gemeinhin unter dem Deckmantel von langen Jahrhunderten verborgen. In der Raserei des Flächenbrandes offenbart sie ihre unmittelbare Kraft in wenigen Tagen, gar Minuten. Wieder und wieder drücken Stewarts Figuren genau dies aus. So wird das Feuer mit einer malignen Intelligenz ausgestattet: »God! She’s outsmarted us!« (F, 105) Es wird gesteigert hin zur Zuschreibung einer menschlichen Unmenschlichkeit in Form der »wholly inhuman calm, its unbreakable imperturbability« (F, 168). Und am Ende ist es eben der große Gegner, der imprägniert ist gegen Gefühle, aber nicht frei von menschlichem Übermut: »Though the fire was horrible because it had no feelings and could never be frightened, yet at the same time, he thought, the fire was blundering and stupid. […] Now it had stuck its head into a bag« (F, 260).
Die Stimmen um die Brände in Südkalifornien zeigen nur allzu deutlich, wie lebendig dieser Chor ist. Seine Ausweitung auf eine globale, nun digitale Dimension, auch das Niederreißen der zeitlichen Entfernung des Kommentars hat nichts von der Wahrheit genommen, die durch diese Stimmen spricht. Es tobt ein Beschwören von Solidarität, oft der kleinste Schritt, neben Zuschreibungen von Schuld und Macht(missbrauch). Am stärksten aber ist der Chor als Ausdruck sprechender Hilflosigkeit. Von Ferne liest man etwa die vielen Erzählungen der Vermögenden, individuelle Schicksale, die einen geliebten Rückzugsort verloren haben. Es ist ein Gesang, der gesellschaftliche Schwäche zur Schau stellt. Schließlich waren es zumeist ältere und insbesondere (relativ) ärmere und schwarze Bürger, die insbesondere in Altadena Opfer der Hitze wurden und deren materieller Verlust ungleich schwerer wiegt. Kaum abzusehen sind die Folgen für den bezahlbaren Wohnraum in einem Gebiet, das schon historisch von absurden Preisen geplagt ist und dem auf einen Schlag rund 18 000 Gebäude entrissen wurden. Es ist, als hätte die Gesellschaft jene ungeheure Unausweichlichkeit, die Praxis des Feuers ist, übernommen, so sticht nun das diskriminierende redlining noch schärfer ins Auge, das schlicht nicht tragisch genug, nicht individuell genug ist, um die große Story zu machen. Hilflos werden die Opfer der dominanten Helden besungen.
Wer wäre schon dort ohne Wald
In der Lesart des Feuers als eigentlicher, aber schwacher Held tritt letztlich die Unausweichlichkeit des ökologischen Gleichgewichts in den Mittelpunkt. Wie etwa Jan Röhnert es fordert,[3] geht das literarische Schaffen Stewarts nicht von Natur als Nebenschauplatz oder gar Produkt menschlichen Handelns aus. Sie wirkt vielmehr als Schicksal durch alle Erzählelemente, als ordnende Kraft, die alle Fäden zieht, und damit die Handlung erst antreibt. Der Wald, auch die Tiere darin sind nicht neutral; sie sind eigenständig, sie interagieren; sie leiden und heilen. Im Fortleben wird die Erde Gedächtnis, aber nicht als totes Medium, dem die Menschheit ihr Dasein einschreibt. Ohne diesen Wald wären weder Feuer noch Menschen in der Sierra Nevada.
Die einzige auch nur annähernd die Bewegung Spitcats berührende Handlung des Menschen ist zudem das Gegenfeuer. Die Größe Stewarts liegt darin, das Drama darzustellen, das ebendarin liegt. Das Feuer des Menschen, das dem Feuer der Natur entgegentreten soll, muss rechtzeitig und richtig erzogen werden. Jedes Gegenfeuer ist letztlich nur im Ansatz beherrschtes Geschwisterkind und kann ausreißen, mithin Spitcats Handlanger werden, statt dem vermeintlichen Schöpfer zu gehorchen. Finden die Vorbereitungen zu spät statt, also zu nah an der großen Schwester, wird das Gegenfeuer nicht kräftig genug. Wird das Feuer schlecht genährt oder der Grund nicht sorgfältig bereitet, verstummt es oder geht schlicht seinen eigenen Weg als womöglich noch größerer Waldbrand. Die Menschen können die Grundlage bereiten, doch muss das Feuer sich selbst besiegen: als Ganzes im Überschwang seiner Kraft die Grundlage seiner Fortbewegung zerstören. Wer Schöpfer der Überhitzung ist, ist nicht relevant für das Wirken.
Dies hat eine suggestive Nähe zu den Bränden in Südkalifornien, bei denen menschliches Einwirken in vielerlei Hinsicht im Spiel war, sei es als zündender Funken oder als Ernährer zukünftiger Hitze. Während Stewart in Fire den Menschen als Nebendarsteller behandelt, sieht der heutige Diskurs um das Pyrozän ihn im Zentrum, als Verursacher und Leidtragenden zugleich. Nur scheint diese Sichtweise bloß bedingt tragfähig – und die Bedingung ist eben die Perspektive der Dominanz, der Fire sich widersetzt. Richtig ist fraglos: Hitze bedroht die Lebenswelt, wie wir sie kannten. Und wahrlich: Der Mensch befeuert diese Hitze. Doch steht die Welt noch immer im Schicksal der Unausweichlichkeit, bei der der Mensch bloß Nebenfigur ist. Er mag sich widersetzen wollen, mit Trotz Häuser in den (Santa-Ana-)Wind bauen, mit List Gräben graben und Technologien diversifizieren; der wahre Protagonist wird all diese Hürden und seine Zuschreibungen überleben. Der Punkt ist hier mithin nicht, dass der Mensch eingreift. Der Punkt ist, dass sich der Mensch dabei fälschlich als wichtigstes Element wähnt, wie es der Anthropozentrismus begreift: wahlweise als Protagonist oder Antagonist.
Der technologische Vorteil und der natürliche Nachteil
Hier kommt zusammen, was sich als bittere Pointe erweist. Als Nebenfigur kann der Mensch kein Wissen aus dem Ausgang der Erzählung ziehen. Die Katharsis geht an ihm vorbei, denn sie stellt nicht eine moralische Ahnung wieder her, die sich im Gleichgewicht natürlicher Kräfte bloß spiegelt. Vielmehr kehrt eine absolute Stille wieder, vor der die überhitzte Bewegung versandet. Erneuerung ist nicht Grundlage für die Ausdehnung des Menschen, sondern die Rückkehr zur übergreifenden Temporalität. Die Hitze reflektierte die Überbeanspruchung von Bewegung, die schließlich immer auch ein Zeichen von zu viel – zu viel Raum, zu viel Energie – in zu wenig Zeit ist. Die Wiederherstellung eines ökologisch zu verstehenden Gleichgewichts im von der Natur selbst verheerten Raum ist dementsprechend ein Prozess von Jahrzehnten und Jahrhunderten. Ein Prozess, der zeigt, dass Reife eine Zeit beansprucht, die die moderne Gesellschaft kaum zu geben bereit ist. Als Nebenfigur sucht sie auch diesen Prozess der Wiederherstellung gehetzt abzukürzen. Wie der Wind Handlanger Spitcats ist, ist dem Menschen dabei die Technologie Sporn des Fortschritts, und so billigend auch Überhitzung. Technologie steht zugleich als Taktgeber für den Versuch, den gesellschaftlichen Eingriff ins große Gleichgewicht zu stoppen, wenn nicht gar rückabzuwickeln, und entkommt doch ihrem eigenen Schatten nicht. Und um genau das nicht sehen zu müssen, wird dieser Schatten eben grün gezeichnet. Auch für dieses Grün hält Stewart eine Allegorie bereit.
Vom ersten willentlich produzierten Funken mit Feuersteinen führt eine Linie zum heutigen Diskurs, bei dem die Gesellschaft bloß eine Transition hin zur grünen Energie zu vollführen hat. Grün steht hier für Natürlichkeit schlechthin: kaum berührte, sich selbst wiederherstellende, nicht zuletzt natürliche Natürlichkeit. Schon die Kodierung von Nachhaltigkeit scheint sagen zu wollen: hier ist stabiles Agieren, ein natürlicher Akteur. Stewart stellt die Resonanz des dieser Natürlichkeit ursprünglich zugewandten Menschen in einer minimalen, aber eindrücklichen Szene dar, die einem vom amerikanischen Transzendentalismus beseelten sowie an Adalbert Stifter erinnernden Ausreißer in der Erzählung gleichkommt. Sie interveniert in der Dokumentation des Kampfes gegen die hitzige Bewegung und drängt die emotionale Seite des Rangers und leitenden Feuerbekämpfers zu einer Mahnung. Dieser Ranger kommt am Glen vorbei, einem sprudelnden Gebirgsbach, der Reinheit und gesicherte Nachhaltigkeit sowohl dem alternden Ranger wie auch dem von Menschenhand entwilderten Wald gegenüberstellt: »Ice-cold and clear, fed from unfailing springs, the little stream dropped in gentle falls over clean rocks from pool to pool. Where the high water of springtime swept them, the rocks were shining gray, and above that they were deep in moss kept always green in the dainty spray of the tiny waterfalls. Farther back from the stream, where the air was still moist, the azaleas grew, and in the spring the glade was spotted thick with the faintly orange blossoms« (F, 199).
Es ist ein aufschiebender Kontrapunkt zum Ende des achten Tages, kurz nachdem ein Arbeiter, einer befreienden Tanne greifend nah, von Spitcat eingeholt und ermordet wurde sowie wenige Stunden bevor deutlich wird, dass kein Gegenfeuer Spitcat Einhalt gebieten will. So tritt der Ranger heraus aus der Handlung und macht die im Reglosen bewegende Resonanzerfahrung, wie sie Hartmut Rosa kaum besser hätte beschreiben können:[4] »He breathed deeply. As when he had looked out from Cerro Gordo, profound feelings surged within him, inexpressible longings for beauty, and vague hope that all things might live together in love« (F, 200). Zu allem Überfluss steht ihm gegenüber ein Reh, das er anspricht und für einen Moment erwartet man eine Antwort, bis einem einfällt, dass es um Spitcat geht und dass diese Schönheit nur ein Hinhalten ist. Und wie diese Nachhaltigkeitserfahrung den Ranger in Schwingung versetzt, spricht die folgende Resonanz zum Leser in moralischer Prophezeiung: »This at least, [the ranger] thought, was secure. The trout were too small to tempt fishermen, and no lumberman could afford to send crews into such a narrow ravine just to take out a few cedars. The doe might grow old and die, but her fawns would still haunt the glade. Trampling tourists would never come to admire the view. A six-foot waterfall, some little pools, moss on the rocks, azaleas, a sleek doe – that was not enough for a national advertising campaign and bus-loads of exclaiming vacationers« (F, 200).
Hier geht es um mehr als den Ranger und eine etwaige Empfindelei. Das Erhabene im Eindruck schönscheinender Reinheit zwingt sich auf, und im Schatten dessen steht der Konflikt des Menschen mit seinen Idealen. Denn es ist nicht das Feuer, das der Ranger hier fürchtet. Während in heranrückender Ferne der Protagonist seinen Existenzkampf führt, verdeutlicht Stewart die menschliche Zerstörung am gleichen Material im Negativen.
Columbia braucht Energie
Das Problem, so scheint Stewart im Hintergrund zu dröhnen, ist nicht Spitcat. Natürlichkeit ist im Glen greifbar in ihrer Unberührtheit, gleich dem Ideal einer natürlichen Natürlichkeit. Sein Grün ist eines, das das Grün grüner Energie nicht ist. Dieses sitzt verkeilt in der Ahnenlinie technologischer Entwicklung, die keinen Bruch, denn bloß Transition erlaubt. Vom steinschlagenden zum kohle- und schließlich öl- und gasverbrennenden Menschen soll fortgeschrieben werden nach der Maßgabe: Transition haben wir schon einige Male geschafft. Und so sei es nur ein kleiner Schritt: Wir lassen die Natur selbst Energie erzeugen. Soll sie eben arbeiten, wo sie schon eigener Akteur sein will. Doch ist die Linie noch immer eine der Akkumulation. Steingrau und ölschwarz bilden einen Farbverlauf hinein ins neue Grün, und dies ist der Unterschied zum Grün des Glen, dessen energetisches Sprudeln den Ranger moralisch berauscht. Wenn alles befriedigend läuft, werden wir bald mehrheitlich andere Energie haben, so scheint das Grün der Transition zu sagen. Aber es wird noch immer mehr Energie sein. Viel mehr Energie, wenn es wirklich toll läuft. Dieses unermessliche Vielmehr ist die verkörperte Negierung des erhabenen Grüns, das Stewart dem Ranger für einen kurzen Moment hinhält, um es sodann den Flammen zum Opfer zu werfen oder auch nicht. Spitcat und dem Glen ist der Ausgang gleich.
Die Idee dieses Grüns hält den von Ferne Kommentierenden die Augen zu vor den Dimensionen, die im Schatten der Transition wandern. In Südkalifornien hat man gut sehen können, dass die heutige Gesellschaft rascher Feuer löschen kann als noch zu Stewarts Zeiten, wenn nicht gerade die Hydranten versagen. Doch ist auch das Feuer schneller geworden. Es springt weiter und setzt sich vehementer fest. Es ist radikaler und wird vorerst so bleiben, Transition oder nicht: Die Wahrscheinlichkeit von Feuern dieser Ausmaße ist durch menschlichen Eingriff um 35 % gestiegen.[5] Durch die vom Menschen verursachte Verlängerung der Trockenperiode um durchschnittlich 23 Tage überlappt die feuergünstige Zeit mehr und mehr mit den ihrerseits bewegungsgünstigen Santa-Ana-Winden. Der Begriff menschenverursacht wirkt hier sowohl überheblich als auch banal. Doch es bleibt wahr: Mehr Energie bedeutet mehr Überhitzung.
Insbesondere Technologien, die durch ihr smartes Wirken fast unausweichlich grün scheinen, treiben diese Entwicklung weiter, indem sie eine Beschleunigung der Bewegung und der Energieverarbeitung auf immer feineren Skalen mit sich bringen. Was deren real gewordene Kunstwelt am Laufen hält, wird von unzählbar vielen winzigen Funken in minimaler Zeiteinheit getragen. Prognostiziert wird, dass allein der Energiebedarf für Datenzentren, getrieben durch künstliche Intelligenz, von 333 TWh im Jahr 2022 um das Dreifache auf 1.065 TWh im Jahr 2030 steigen wird.[6] Davon ist im Übrigen mehr als ein Drittel allein für die Abwehr interner Überhitzung nötig, was allein schon als auszeichnendes Element der Risikogesellschaft in der reflexiven Moderne dient.[7] All dies scheint eine Abkehr von der offensichtlichen Nähe zum Feuer zu sein, von den röhrenden, aber doch bräsig angeketteten Maschinen, die die alten Industrien antrieben. Doch zeigen sowohl Stewart als auch die Brände in Südkalifornien, dass es eben diese kleinen Funken sind, die die Feuer auslösen.
Den Urinstinkt dieser Überhitzung hält Stewart in Gestalt der Bulldozerfahrer fest, jener durchgreifendsten Technologie, die zur Mitte des letzten Jahrhunderts gegen den Flächenbrand in Stellung zu bringen war. Und als Onomatologe deutet Stewart die technologische Entwicklung schon im Namen. Bulldozerfahrer sind cat-skinner, was sich vom bull-skinner ableitet: Männer der amerikanischen Front, die ihre Ochsen so sehr mit Peitschen gen Westen trieben, dass es den Tieren die Haut abrieb. Mit dem Verschwinden der Ochsen tauchten mule-skinner auf. Zuwachs von Energie und Wissen verhalf dem arbeitenden Menschen, übersetzt in Technologie, zum caterpillar-tractor, und deren Bedienung wohnt eine eigene Hybris inne, wie Stewart am Beispiel des cat-skinners Barneys darstellt: »Some say that all cat-skinners are maniacs. Certainly, to watch Barney in the woods you would have said that he fed insatiable lusts for power and violence« (F, 83). Und so passiert es, dass wenige Tage später, im erbitterten Kampf mit Spitcat, Barney seine Maschine voll des Übermuts durchs Grün treibt, sich und seine Technologie überschätzt und die Raupe, sich überschlagend – »lazily as a rolling elephant« – an einem Abhang kaltstellt.
Einfühlsamkeit für die Nebensächlichkeit
Bei Stewart sind es diese schwere Maschine und sein Herr, die den symbolischen Konflikt austragen, doch der Grundgedanke ist derselbe bei jedem weiteren Brand diesen Ausmaßes. Dieser Konflikt ist ein Nebenschauplatz: Spitcat bleibt von den cat-skinnern kaum berührt, und falls es anders wäre, falls der Mensch bessere Maschinen hätte, smartere, wohl nahezu eigenständige, die ihn führen und verleiten, so wird auch das Feuer größer und weiter reichen. Spitcat zerstört 41 Quadratkilometer Wald. Die Brände Palisades und Eaton zerstörten rund 95 und 57 Quadratkilometer. Als ich erstmals George R. Stewart las, lag das gegenüberliegende Haus verschwommen hinter einer orangefarbenen Feinstaubwolke, die von Kanada aus nach New York zog. Das war das Jahr 2023 und in Kanada verbrannten insgesamt 184 961 Quadratkilometer Wald. Diese Dimensionen sind kaum fassbar. Die Antworten darauf sind es nicht mehr.
Der Anspruch des Menschen, tragischer Held zu sein, scheint im Angesicht der apokalyptischen Bilder aus Südkalifornien hoch. Berechnungen zum gesellschaftlichen Eingriff verdeutlichen, dass der Mensch in ein Gleichgewicht eingreift. Aber dies ändert nichts an der grundlegenden Kraft. Die Natur handelt, und der Mensch bleibt eine Nebenfigur, die sich zu ihr verhält. Das Feuer – nicht der Mensch – ist der eigentliche Protagonist, und er war es schon zu Stewarts Zeiten, als es ein Denken im Zeichen des Pyrozäns noch nicht gab. Dieser Protagonist – diese Protagonistin – folgt unverrückbaren Gesetzen und entfaltet sich im Gefüge einer Unausweichlichkeit, die sich jeder menschlichen Kontrolle entzieht. Stewart entwirft ein Narrativ, das moderne Debatten um Feuerbekämpfung und Klimawandel herausfordert. Es erinnert daran, dass Feuer in ökologischen Zyklen eine zentrale Rolle spielt, und es widersetzt sich der Annahme, dass sich Brände durch bessere Technologien oder gar effizienteres Management ein für alle Mal kontrollieren oder eliminieren lassen.
Spitcat fällt letztlich sich selbst zum Opfer, bevor es eine Stadt erreicht. Es hätte wohl den dramatischen Bogen überspannt und wäre über den Auftrag hinausgegangen, den Stewart sich gesetzt hatte: die Existenz eines Waldbrands zu erzählen. Anders ist dies beim Vorgänger, Storm, wo statt des Feuers Spitcat eben der Sturm Maria die Protagonistin ist, deren Leben man vom diffusen ersten Tag über dem Pazifik bis zur Verheerung in der Sierra Nevada und darüber hinaus, Städte inbegriffen, verfolgt. Es war ein literarischer Versuch ohne Tradition, der in der Neuübersetzung von Jürgen Brôcan und Roberta Harms seit Anfang dieses Jahres auch auf Deutsch neuentdeckt werden kann.[8] Zu wünschen bleibt, dass auch Fire seinen neuen Weg in die deutsche Sprache findet – und damit mehr Einfühlsamkeit für die Nebensächlichkeit des Menschen.
Endnoten
[1] George R. Stewart, Fire [1948], New York 2024; im Folgenden zitiert unter der Sigle F nebst Seitenzahl.
[2] George R. Stewart, Storm [1941], New York 2021.
[3] Vgl. Jan Röhnert, »Autoren, erobert eure Umgebung!«, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung; 26.7.2024; vgl. dazu auch Jan Röhnert, Wildnisarbeit. Schreiben, Tun und Nature Writing, Wuppertal 2025.
[4] Vgl. Hartmut Rosa, Resonanz. Eine Soziologie der Weltbeziehung, Berlin 2019.
[5] World Weather Attribution, Climate change increased the likelihood of wildfire disaster in highly exposed Los Angeles area; https://www.worldweatherattribution.org/climate-change-increased-the-likelihood-of-wildfire-disaster-in-highly-exposed-los-angeles-area/ [letzter Zugriff 12.2.2025].
[6] Vgl. Karthik Ramachandran u.a., As generative AI asks for more power, data centers seek more reliable, cleaner energy solutions; https://www2.deloitte.com/us/en/insights/industry/technology/technology-media-and-telecom-predictions/2025/genai-power-consumption-creates-need-for-more-sustainable-data-centers.html [letzter Zugriff 12.2.2025].
[7]Vgl. Ulrich Beck, Risikogesellschaft. Auf dem Weg in eine andere Moderne, Frankfurt/Main 1986.
[8] George R. Stewart, Sturm, übers. von Jürgen Brôcan und Roberta Harms, Hamburg 2025.
Dieser Artikel ist nach redaktioneller Überarbeitung in den Weimarer Beiträgen (71. Jahrgang, 1/2025) erschienen als: Diese beängstigende Unausweichlichkeit. Denken jenseits des Anthropozentrismus – mit George R. Stewarts »Fire«. https://weimarer-beitraege.de/2025-1/
Open Access PDF-Version hier heruntladen.